Anwendungsfälle
Die Modellierung des Standards XTrasse 2.0 basiert auf insgesamt sechs Anwendungsfällen. Zwei betreffen den Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur:
- Breitbandausbau: Trassenplanungen für den Ausbau von Glasfasernetzen lassen sich von der überörtlichen Konzeption bis zur Detailtiefe der Zustimmungsverfahren nach TKG abbilden in Bezug auf deren räumlichen Lage, die Spezifizierung der Trasse (inkl. ihrer punktförmigen Infrastrukturkomponenten) sowie prüfungsrelevante Informationen zur Bauausführung. Darüber hinaus können Bestandsleitungen aller Leitungssparten erfasst werden.
- Infrastrukturatlas: Datenlieferungen von Leitungsnetzbetreibern für den von der Bundesnetzagentur betreuten Infrastrukturatlas können im Datenformat XTrasseGML erfolgen.
Planungen zum großräumigen Ausbau von Leitungsnetzen bilden drei Anwendungsfälle:
- Raumverträglichkeitsprüfung: Der Ausbau linienförmiger Infrastrukturen beginnt mit einem mehrere Stufen umfassenden Planungsprozess von Trassenkorridoren. Dieser wird abgebildet im Hinblick auf die einzelnen Korridorsegmente und daraus entwickelte Varianten, den zuletzt festgelegten Antragskorridor sowie Kategorien der im Korridor angetroffenen Raumwiderstände und Konflikte.
- Infrastrukturgebieteplan: Alternativ zur Raumverträglichkeitsprüfung können für Energieleitungen Infrastrukturgebiete festgelegt werden. (Dieser Anwendungsfall befindet sich noch in der gesetzlichen Abstimmung.)
- Planfeststellung: Beginnend an der Schnittstelle zur Raumverträglichkeitsprüfung bzw. dem Infrastrukturgebieteplan kann der Ausbau trassenförmiger Energieinfrastrukturen in verschiedenen Maßstabsebenen geplant werden. Erfasst werden der räumliche Verlauf geplanter Trassen, Attribute der Leitungen und Infrastrukturkomponenten, die Bauausführung sowie Anschlusspunkte und Leitungen im Bestand. Der abschließende Antrag auf Planfeststellung (und Baugenehmigung) wird nicht mehr von XTrasse abgebildet.
Die Erfassung von Bestandsinfrastruktur in einem eigenständigen Plan ist der sechste Anwendungsfall:
- Bestandsplan: Leitungspläne der verschiedenen Sparten lassen sich in einem Bestandsmodell zusammenführen. Das TrasseGML kann anschließend in ein IFC-Modell transformiert werden.
Grundstruktur des Datenmodells
Für die Modellierung der Anwendungsfälle in XTrasse konnte an die Grundstruktur des Datenmodells von XPlanung angeknüpft werden. In einem modularen Aufbau repräsentieren jeweils "Pakete" die verschiedenen Anwendungsfälle wie BPlan und FPlan; die Pakete sind eine Zusammenfassung von Plan- und Objektklassen; die Nutzung von Objektklassen ist nicht auf die jeweilige Planklasse beschränkt, z.B. lassen sich BPlan-Objekte im FPlan verwenden; aus den Paketen werden maschinenlesbare XML-Schemata generiert (s. auch Einführung in das UML-Modell XPlanung).
Die folgende Abbildung zeigt die Struktur der Pakete und Schemata von XTrasse 2.0:
Die Pakete "Bestandsnetze", "Breitbandausbau" und "Infrastrukturatlas" repräsentieren jeweils einen Anwendungsfall, das Paket "Infrastrukturausbau" umfasst die drei fachlich zusammenhängenden Anwendungsfälle Planfeststellung, Raumverträglichkeitsprüfung und Infrastrukturgebieteplan. Vervollständigt wird das Modell durch die Pakete "Basisklassen" und "ISO 19136 GML", zu denen die Anwendungspakete Abhängigkeiten besitzen. Über die Basisklassen werden Attribute und Assoziationen definiert, die an alle übrigen Objektklassen vererbt werden. Hinzu kommen die Enumerationen, die paketübergreifend zur Anwendung kommen können. Durch die Einbindung des GML-Anwendungsschemas werden die Objektklassen zu GML-Features (Feature types und Data types). GML-Features können Geokoordinaten aufnehmen und von GIS- und CAD-Systemen verarbeitet werden. Bei der Transformation des Modells in maschinenlesbare XML-Schemata werden aus den Paketen die grau dargestellten XSD-Dateien generiert.
Beziehungen zwischen Objekt- und Planklassen
Der modulare Aufbau des Modells bedeutet nicht, dass die XML-Schemata der Anwendungsfälle vollständig unabhängig voneinander einsetzbar sind. Zum einen nutzen die Schemata die gleichen Basisklassen, zum anderen bestehen zwischen den Schemata der Anwendungsfälle Abhängigkeiten aufgrund von fachlichen Schnittmengen. Die zentralen Beziehungen innerhalb des Modells sind im folgenden Diagramm aufgeschlüsselt.
Erklärende Hinweise: Zu unterscheiden ist zwischen abstrakten Oberklassen (türkisblau mit kursiver Schrift) und den (gelben) Fachobjekten. Während Fachobjekte in den Anwendungskontext übersetzt werden, spielen die abstrakten Oberklassen nur im Modell eine Rolle. Sie stellen eine übergeordnete Zusammenfassung von Fachobjekten dar und vererben diesen ihre Attribute und Assoziationen (bzw. sind die Fachobjekte aus den abstrakten Oberklassen abgeleitet). Innerhalb der Fachobjekte besteht ein Unterschied zwischen Objekt- und Planklassen: Die Planklasse repräsentiert ein raumbezogenes Plandokument, die Objektklassen bilden die Inhalte des Plans ab. Im Diagramm dargestellt sind in der Mitte die fünf (spezifischen) Planklassen von XTrasse und ihre Assoziationen zu den abstrakten Plan- und Objektklassen. Nicht dargestellt sind die spezifischen Objektklassen (dies erfolgt im darauf folgenden Schritt). Zur vereinfachten Darstellung sind die Attribute der Klassen ausgeblendet.
Die im Diagramm dargestellten Assoziationen zwischen Objekt- und Planklassen bedeuten jeweils, dass das Objekt zu dem Plan gehören muss und umgekehrt der Plan beliebig viele Objekte enthalten kann. Über den modularen Ansatz von XTrasse besitzt jeder Anwendungsfall eine eigene Planklasse. Der Breitbandausbau hat z.B. die Planklasse BRA_Ausbauplan, der seine Inhalte zur Spezifizierung von Breitbandtrassen über die vom abstrakten BRA_Objekt abgeleiteten BRA-Objektklassen erhält. BRA-Fachobjekte können dementsprechend nicht für die Generierung eins PFS-Plans genutzt werden. Im Unterschied dazu lässt sich die modulübergreifende Beziehungen zu den Basisklassen am abstrakten XP_Objekt aufzeigen. Die Assoziation zwischen XP_Objekt und XP_Netzplan wird an alle fünf Planklassen vererbt, d.h. die aus XP_Objekt abgeleiteten (zwei) Fachobjekte sind für alle Planklassen verfügbar.
Ebenfalls zum Tragen kommt diese Beziehungsstruktur bei den spezifischen Objektklassen zur Darstellung des Bestandes. Bestandsinfrastrukturen sind ein anwendungsfallübergreifendes Thema: Der Bestand an Leitungen und punktförmigen Infrastrukturen soll nicht nur in einem Bestandsplan, sondern auch im Breitbandausbau oder der Planfeststellung dargestellt werden. Im Modell hat daher BST_Objekt eine Beziehung zu XP_Netzplan, diese Assoziation erben neben dem BST_NetzPlan auch die vier weiteren Planklassen. Die abgeleiteten BST-Objektklassen zur inhaltlichen Darstellung des Bestandes sind somit in allen Planklassen nutzbar.
Die dargestellte Beziehungen der XP- und BST-Objekte zu XP_NetzPlan wiederholt sich in Bezug auf die Assoziation von IP_Objekt und RVP_Objekt zu IP_Plan. Für die inhaltlich zusammenhängenden Anwendungsfälle Planfeststellung, Raumverträglichkeitsprüfung und Infrastrukturgebieteplan sind einige IP-Klassen modelliert. Ebenso können mit dieser Modellstruktur u.a. Fachobjekte der Raumverträglichkeit (nachrichtlich) in die Planfeststellung übernommen werden.
Die unter fachlichen Gesichtspunkten konzipierte Modularisierung führt damit zu Planklassen mit unterschiedlichem Umfang an Objekten: Der Bestandsplan (BST_NetzPlan) referiert nur XP- und Bestandsobjekte, der PFS_Plan der Planfeststellung dagegen XP-, IP-, BST-, RVP- , IGP- und PFS-Objekte.
Fachliche Ausdifferenzierung über abstrakte Oberklassen und Fachobjekte
Das beiden nachfolgenden Diagramme veranschaulichen exemplarisch Möglichkeiten zur fachlichen Ausdifferenzierung in den Anwendungsfällen.
Die Festlegung der für den jeweiligen Anwendungsfall passenden Geometrietypen erfolgt weitgehend über die abstrakten Oberklassen. Die Oberklasse BRA_Linienobjekt definiert u.a. über das Attribut "position" den GML-Geometrietyp "GM_Curve", der an die Fachobjekte wie BRA_BreitbandtrasseAbschnitt und BRA_Schutzrohr vererbt wird. Diese Linienobjekte müssen einen Anfangs- und Endpunkt besitzen und jeder Linie können verschiedene Attributwerte zugewiesen werden. Die (hier nicht dargestellte) Oberklasse BST_Multi_Linienobjekt nutzt dagegen "GM_Multicurve", damit eine Gruppe von Bestandslinien zu einem Bestandsleitungsobjekt mit einem Satz von Attributwerten zusammengefasst werden kann. (Die Vergabe der Geometrietypen über die abstrakten Oberklassen gilt allerdings nicht für das Paket "Infrastrukturausbau"; hier erscheint es sinnvoller, auch auf der Ebene der Fachobjekte zwischen einfachen und Multi-Geometrien zu unterscheiden.)
Die Ausdifferenzierung der Fachobjekte führt im Breitbandausbau zur Unterscheidung zwischen der linienförmigen Trasse und dem verlegten Rohrsystem. Unter dem Oberbegriff Trasse werden die Baumaßnahme und die damit verbundenen Eingriffe in die Wegeinfrastruktur erfasst. Da die Erfassung der Baumaßnahme differenziert erfolgen soll, wird die Trasse in Abschnitte zerlegt (BRA_BreitbandtrasseAbschnitt). Die physisch verlegten Objekte sind ebenfalls detailliert, und zwar als verschachteltes Rohrsystem modelliert (BRA_Schutzrohr, BRA_Mikrorohrverbund, BRA_Mikrorohr und BRA_Kabel), im Unterschied zu den Bestandsleitungen, die über ein Fachobjekt (BST_Telekommunikationsleitung) abgebildet werden. Da das Rohrsystem durchgängig und nicht in den Bauabschnitten der Trasse verbaut wird, ist es auf der Modellebene nicht mit der Trasse verbunden. Im Rahmen eines Zustimmungsverfahren im Breitbandausbau reicht in der Regel die Angabe von BRA_Schutzrohr als physisch verlegtem Gegenstand aus. Dennoch soll das Datenmodell Telekommunikationsunternehmen die Möglichkeit eröffnen, im GIS-/CAD-System verfügbare Daten von weiteren Bestandteilen eines Rohrsystems auch in XTrasseGML weiterzugeben (z.B. für den Zweck der Mitnutzung durch andere TK-Unternehmen).
Die im folgende Diagramm dargestellten BRA-Punktobjekte erhalten über die abstrakte Oberklasse BRA_Multi_Punktobjekt im Attribut "position" den Geometrietyp "GM_MultiPoint". Neu aufgestellte BRA_Verteiler können entweder mit separaten Koordinaten und spezifischen Attributwerten erfasst werden oder eine als Multipunkt erfasste Serie von Verteilern erhält die gleichen Attribute. Die Baumaßnahme wird bei den Fachobjekten von der BRA_Baugrube repräsentiert (hinzu kommt bei den BRA-Flächenobjekten die BRA_Baustelle). In dem Diagramm sind schließlich die zu Beginn erwähnten Enumerationen sichtbar. Die BRA_Baugrube nutzt über das Attribut "art" die Enumeration XP_BaugrubeTyp aus dem Paket "Basisklassen". Diese Enumeration ist ebenso mit der PFS_Baugrube verknüpft. Die sehr spezialisierte Enumeration BRA_Netztechnik ist dagegen nur für die Verwendung im Paket Breitbandausbau gedacht.
Alle UML-Grafiken von XTrasse und die detaillierte Auflistung der Objekte mit allen (vererbten) Attributen sind im Objektartenkatalog verfügbar. Für eine eingehendere Beschäftigung empfiehlt sich ein Download des Katalogs, da die HTML-Fensterdarstellung flexibler gehandhabt werden kann als über die Webseite der XLeitstelle.